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02.11.2023 Infektiologie

Mit Antikörpern resistente Bakterien neutralisieren

Forschungsarbeit veröffentlicht

Priv.-Doz. Dr. Jan Rybniker und Dr. Alexander Simonis, Fotos: Michael Wodak
Priv.-Doz. Dr. Jan Rybniker und Dr. Alexander Simonis, Fotos: Michael Wodak

Antibiotika-resistente Bakterien stellen weltweit eine große Herausforderung für die Gesundheitsversorgung dar. Aufgrund zahlreicher Resistenzmechanismen sind insbesondere Infektionen mit dem Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa gefürchtet. Forschende der Uniklinik Köln, des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf haben nun Antikörper entdeckt, die zu einem neuen Ansatz bei der Behandlung akuter und chronischer Infektionen mit P. aeruginosa führen könnten. Die Studie wurde im renommierten Wissenschaftsjournal Cell veröffentlicht.

Antibiotika-resistente Bakterien stellen weltweit eine wachsende Bedrohung nicht nur für Infizierte, sondern auch insgesamt für die Gesundheitssysteme dar. Insbesondere Infektionen mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa sind aufgrund zahlreicher Resistenzmechanismen gefürchtet und können gerade bei schwer kranken Patientinnen und Patienten zu komplizierten Infektionen der Lunge und zu gefährlichen Blutvergiftungen führen. Zudem kann der Erreger dauerhaft Organe wie zum Beispiel die Lunge besiedeln und fördert dort eine fortschreitende Gewebeschädigung. Häufig müssen dann bei infizierten Patienten sogenannte Reserveantibiotika verwendet werden, da die Standardtherapien nicht mehr wirken. Neue therapeutische Ansätze werden daher dringend benötigt, um auch zukünftig eine effektive Therapie bei Infektionen mit multiresistenten Erregern wie P. aeruginosa zu gewährleisten.

Forschenden der Uniklinik Köln, zusammen mit Kolleginnen und Kollegen des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig sowie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, ist es nun gelungen, aus Immunzellen von Mukoviszidose-Patienten, die chronisch mit P. aeruginosa infiziert waren, hochwirksame Antikörper gegen diesen Erreger zu isolieren und zu charakterisieren.

„Viele der hochwirksamen und breit neutralisierenden monoklonalen Antikörper, die gegen Viren zum Einsatz kommen, wurden aus infizierten, genesenen oder geimpften Individuen isoliert und weiterentwickelt“, erklärt Dr. Alexander Simonis, Erstautor der Studie, Assistenzarzt in der Infektiologie der Klinik I für Innere Medizin und Leiter der BMBF-geförderten Nachwuchsgruppe „Immuntherapien bei bakteriellen Infektionen“ der Uniklinik Köln.

„Gegen bakterielle Infektionen wurden vergleichbare Ansätze kaum genutzt“, so Dr. Simonis weiter. In ihrer Studie untersuchten die Forschenden daher, ob der für virale Infektionen erfolgreiche Ansatz der Isolierung und rekombinanten Expression breit neutralisierender Antikörper aus menschlichen Abwehrzellen auch für die Entwicklung neuer Therapien gegen bakterielle Infektionen angewendet werden kann. Um geeignete Antikörper zu finden, konzentrierten sie sich auf Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose, deren Lungen oftmals chronisch mit P. aeruginosa besiedelt sind. Die Forschenden gingen dabei von der Hypothese aus, dass eine wiederholte Exposition gegenüber dem Bakterium bei diesen Patientienten zur Entwicklung von Antikörpern führt, welche die Virulenz von P. aeruginosa wirksam hemmen können. Dank eines speziellen Screening-Tests fanden die Forschenden in den Blutproben einiger Mukoviszidose-Patienten tatsächlich monoklonale Antikörper, die die Virulenz des Bakteriums neutralisieren können.

Die Wirkweise dieser Antikörper beruht auf der Blockade eines wichtigen Virulenzfaktors des Bakteriums, dem sogenannten Typ-III-Sekretionssystems, das gerade bei schweren Infektionen mit P. aeruginosa eine wichtige Rolle spielt. In umfangreichen Versuchen in Zellkultur und Tiermodellen konnten die Forschenden zeigen, dass die neu entwickelten Antikörper genauso wirksam gegen das Bakterium sind wie klassische Antibiotika. Da die Aktivität dieser Antikörper aber unabhängig von den Wirk- und Resistenzmechanismen herkömmlicher Antibiotika ist, können diese sogenannten Pathoblocker auch – im Gegensatz zu vielen klassischen Antibiotika – bei hochresistenten Bakterien wirken.

„Die gewonnenen Erkenntnisse und die verwendeten experimentellen Ansätze können auch auf andere bakterielle Krankheitserreger übertragen werden und somit einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Therapie von Infektionen mit multiresistenten Bakterien darstellen“, resümiert der Letztautor der Studie, Priv.-Doz. Dr. Jan Rybniker, Oberarzt in der Infektiologie der Klinik I für Innere Medizin und Leiter der „Translational Research Unit – Infectious Diseases“ an der Uniklinik Köln. „Wir bedanken uns auch insbesondere bei allen Patientinnen und Patienten, die ihr Blut für unsere Untersuchungen zur Verfügung gestellt haben und damit zum Erfolg beitragen konnten“, fügt Dr. Rybniker hinzu.

Hochrelevant für die erfolgreiche Entwicklung der Antikörper war insbesondere die Zusammenarbeit mit Dr. Christoph Kreer und Univ.-Prof. Florian Klein, Leiter des Instituts für Virologie der Uniklinik Köln, die ihre Expertise auf dem Gebiet der Antikörperisolation gegen virale Erreger wie HIV-1 und SARS-CoV-2 beitragen konnten. Zudem war das Mukoviszidose Zentrum Köln in der Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Köln, unter Leitung von Priv.-Doz. Dr. Ernst Rietschel und Priv.-Doz. Dr. Silke van Koningsbruggen-Rietschel, essentiell für die Gewinnung der Patientenproben. Dr. Katharina Rox, Leiterin der DZIF-Pharmakokinetik/Pharmakodynamik-Einheit am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, konnte zeigen, dass die neuen Antikörper eine sehr gute Wirksamkeit in Tiermodellen aufweisen. Am Zentrum für Strukturelle Systembiologie (CSSB) – eine Kooperation mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf – entschlüsselten Dr. Biao Yuan und Prof. Thomas Marlovits mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie die genaue Struktur und atomaren Details der Bindungsepitope der neuen Antikörper für das P. aeruginosa-spezifische Zielmolekül.

Ermöglicht wurde die Studie unter anderem durch eine Förderung durch das Clinician Scientist Programm der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln als auch die Fördermaßnahme „Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, welche Dr. Simonis seit Mai 2022 mit einer Nachwuchsgruppenförderung unterstützt. 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler planen nun, die in der Studie entwickelten Ansätze weiterzuentwickeln und in klinischen Studien zu erproben. Langfristig sollen die Antikörper im Rahmen eines neuen Therapieansatzes insbesondere bei akuten und schweren Infektionen mit P. aeruginosa Anwendung finden. Den Forschenden zufolge bieten die Antikörper darüber hinaus die Möglichkeit, Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für P. aeruginosa-Infektionen – vor allem auf Intensivstationen oder bei Krebserkrankungen – mittels einer passiven Immunisierung zu schützen.

Publikation:

Alexander Simonis*, Christoph Kreer*, Alexandra Albus, Katharina Rox, Biao Yuan, Dmitriy Holzmann, Joana A. Wilms, Sylvia Zuber, Lisa Kottege, Sandra Winter, Meike Meyer, Kristin Schmitt, Henning Gruell, Sebastian J. Theobald, Anna-Maria Hellmann, Christina Meyer, Meryem Seda Ercanoglu, Nina Cramer, Antje Munder, Michael Hallek, Gerd Fätkenheuer, Manuel Koch, Harald Seifert, Ernst Rietschel, Thomas C. Marlovits, Silke van Koningsbruggen-Rietschel, Florian Klein* and Jan Rybniker*, Discovery of highly neutralizing human antibodies targeting Pseudomonas aeruginosa; Cell, November 2023; DOI: doi.org/10.1016/j.cell.2023.10.002

*These authors contributed equally